Monday, December 08, 2008

Der Fuss des Faschismus steckt im Stiefel

- Italien und der Faschismus -

Im Juli 2006 fand das Fussball-WM-Finale Frankreich vs. Italien in Deutschland statt. Ich sass mit einigen Freunden in einem italienisch/spanisch/österreichischem Restaurant in der Schweiz und verfolgte das Spiel mit grosser Spannung. Wie so viele, wurde auch ich von der Fussball-Euphorie gepackt. Kurz nach dem Anpfiff kam der Kellner um die Bestellung aufzunehmen. Ich bestellte eine Pizza mit einem grünen Salat. Daraufhin fragte mich der Kellner ob ich die Italienische oder die Französische Sauce möchte. Natürlich wählte ich die Französische.


Die Spannung steigt

Das Spiel wurde von Millionen, wenn nicht sogar von Milliarden von Menschen verfolgt. Die Spannung stieg von Minute zur Minute. Als dann schliesslich in der 90sten immer noch 1:1 stand, erreichte die Spannung ihren Höhepunkt in der Nachspielzeit. In der 109ten Minute passierte aber etwas, womit niemand gerechnet hatte. Der Französische Nationalspieler Zenadine Zidane beendete seine Fussballkarriere mit einer roten Karte, in dem er den Italienischen Gegner Marco Materazzi mit einem „headbutt“ niederschlug. Italien wurde Weltmeister.


Zizou sieht rot

Doch dieser Sieg wurde vom „kleinen Zidan-Materazzi-Vorfall“ überschattet. Nicht nur die FIFA, sondern auch einige Gerichte wollten wissen, was der Italiener dem Franzosen gesagt hatte, dass der so ausgerastet sei. Zuerst hiess es, es ging um seine Schwester, dann um seine Mutter und böse Zungen behaupteten; Materazzi spottete über die Herkunft Zizous... eine rassistische Bemerkung?!?! Dieser „Algerische Terrorist mit Französischem Pass“ Zidan, muss ja auch wirklich wegen jeder Kleinigkeit ausrasten!!

Die FIFA, der grösste, selbsternannte, „formelle“ Feind des Rassismus, dementierte: „Nein, nein, Materazzi, der Italiener, hat nichts Böses über die Herkunft des Algeriers, mit Französischem Pass, gesagt. Es ging um die Ehre und seine Schwester...“

Ich erinnerte mich noch an den Geschmack meiner Pizza, der Salat mit der französischen Sauce schmeckte lecker, aber die Pizza, die schmeckte anders...


Der Weltmeister und der Abfallhaufen

Der Vorfall wurde geklärt. Beide mussten wenige Tausend Euro zahlen und etwa 3 Spiele aussetzen. Zizou zog sich zurück und Materazzi nahm, mit seiner Mannschaft, den Weltmeistertitel mit nachhause. Jubelnd wurde die Italiennische Mannschaft in Rom empfangen. Kurz darauf legte sich die Euphorie der stolzen Italiener und Italienerinnen. Doch der Stolz selbst wollte sich nicht legen und blieb. Von soviel Stolz vergass die Regierung, ihren Abfall in Neapel richtig abzutransportieren. Der braune Haufen wurde grösser und grösser und für die Medien ist ein stinkender Abfallhaufen gefundenes Fressen. Die Linke Regierung war nicht gerade der Weltmeister im Abfallbeseitigen. Also musste ein Held her, der wirklich jeden Abfall aus ganz Italien beseitigt. Dies forderten die „mit Abfall gefütterten Medien“ in Italien.


Abfallberge in Neapel

Diese Meldungen aus Neapel haben mich immer wieder belustigt. Ich schmunzelte bei jedem Bericht und dachte, wie das doch stinken müsste und ja, die haben da wirklich ein Problem. Doch was dieses Problem, inszeniert oder nicht, wirklich mitbringt, war nicht der Gestank. Es war etwas anderes, dass mir nicht so schmeckte...


Decide Berlusconi II

Dieses Jahr im April 2008 wurde der Medienmogul, Multimilliardär und Besitzer von AC Mailand Silvio Berlusconi schon wieder aus der Opposition zum Prime Minister von Italien gewählt. Sein Wahlspruch und Versprechen lautete: „Sicherheit und Ordnung“. Natürlich wird jemand gewählt, wenn er verspricht, den Abfall aus Italien zu beseitigen. Das brauchte Italien am nötigsten. Der Held Berlusconi hat es geschafft, hielt sein Versprechen und der Abfall wurde beseitigt, zumindest aus den Medien. Nun herrscht wieder Abfallordnung in Italien.


Rechtspolulist und Multimilliardär Berlusconi

Fascism I

Berlusconi hatte es auch in der Opposition geschafft, von der Mitte aus bis zu den weit rechtsaussen stehenden Parteien aufzuräumen. Darunter ist auch die Lega Nord, die sofort zu packte. Die Regierung Berlusconi nahm einen Antrag der Lega Nord an, in dem „Integrationsklassen“ gefördert werden. Ab 31. Dezember 08 werden ausländische Schüler und Schülerinnen in Italien Aufnahmetests für die „normalen“ Klassen absolvieren müssen. Sollten sie nicht bestehen werde sie „Integrationsklassen“ besuchen müssen. Die Regierung begründet dieses Vorgehen damit, um dem unterschiedlich schnellen Lernprozess der ausländischen Kinder und der italienischen Schulkinder entgegenzuwirken. Man will die Zahl der ausländischen Schulkinder in einem proportionalen Verhältnis zur Zahl der italienischen Kinder haben, um zu vermeiden, dass sich ausländische Schulklassen bilden, in denen „es für die italienischen Schüler eben nicht mehr genügend Platz gibt.“

Als ich das in der Zeitung las, konnte ich es nicht fassen. Ich war geschockt! Die Italienische Regierung führt ein Rassengesetz ein. Während dem Faschistischem Naziregime in Europa, gab es das auch schon. Es gab staatliche Klassen für Juden, Klassen für Ausländer und Klassen bei der eine proportionale Obergrenze für „nicht arische Schüler“ festgelegt wurde. Die Begründung dieses Bildungssystems: „...Damit die deutschen Schulen nicht überfüllt werden“. Mein Gott, diese Parallelität...

reine Italienische Klasse


Fascism reloaded

Das Motto des Abfallbeseitigers Silvio lautet „Sicherheit und Ordnung“. Schöne bürgerliche Worte wurden gewählt, die nicht nur in Italien gut ankommen. 3000 Soldaten wurden dieses Jahr in die Italienischen Grossstädte geschickt. Die Soldaten bewachen Botschaften, Bahnhöfe und Monumente. Natürlich unterstützen sie dabei auch die Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung. Nach den massiven Kosteneinsparungen bei den Polizeikräften durch Berlusconi, ist eine solche Unterstützung auch enorm notwendig. Eine spezielle Schulung brauchen die Soldaten nicht, denn der Einsatz kostet schon etwa 62,4 Millionen Euro. Paradox!

Als ich davon erfuhr, lief es mir kalt den Rücken runter. Mein Gott, dachte ich, das kenne ich doch schon. Die schleichende Militarisierung des Stiefels fand vor Millionen von Augen der Italiener und Italienerinnen, vor den Augen der Touristen und Touristinnen, vor den Augen der Menschenrechtsbeobachtenden und der ganzen Weltbevölkerung statt. Keiner, aber wirklich niemand fragte: „Wozu das ganze? Wäre es nicht sinnvoller, die Polizeikräfte weiterzubilden und neue zu schulen?“ Auf die Antworten musste ich wirklich nicht lange warten. Die 3000 Soldaten überwachen nun Flüchtlinslager und die konzentrierten Camps für Roma. Besonders „gute Soldaten dürfen sogar illegale Roma-Lager auffinden und eliminieren.“ Dafür muss man nur im Irak-Krieg gedient haben. Schule? Nein, Schule bleibt in Italien auf der kurzen Strecke.


3000 Soldaten bewachen unteranderem Rom


Fascism Revolutions

Sicherheit und Ordnung. Ja, das wollen die Bürger und Bürgerinnen Italiens. Doch diesem Wunsch steht nicht der Abfall Berlusconis im Weg. Also nicht mehr, der stinkende Haufen ist jetzt weg, aus den Augen aus dem Sinn.
Es ist etwas anderes, etwas komisches, mit Händen und Füssen – wenn ich diese Worte schreibe, schmerzt mein eigener Zynismus - Es läuft, stielt, stinkt und passt einfach nicht in das saubere Bild einer Nation! Die Roma! Wenn man Sicherheit und Ordnung schaffen will, vergisst man schnell, dass man es mit Menschen zu tun hat.
Die Italiener und Italienerinnen fühlen sich von diesen Menschen bedroht. Dies erkennt man, da kein Widerstand geleistet wird gegen das Vorgehen der Regierung. Diese Menschen, die schon in erbärmlichen Behausungen wohnen, werden vertrieben oder in Camps konzentriert. Die Fingerabdrücke ihrer Kleinkinder, der unschuldigsten Lebensform der Welt, werden genommen und aufbewahrt. Die Regierung sagt: „ Es ist eine Vorsichtsmassnahme.“
Man nimmt also an, dass jedes Neugeborene Romakind ein Krimineller ist.


Romakinder bei der Fingerabdruckabgabe


Schock! Ja, ich bin geschockt. Wut! Ja, ich bin wütend. Natürlich auch auf die Italiensche Bevölkerung. Die rassistischen Übergriffe häufen sich immer mehr und mehr. Roma-Lager werden angezündet! Menschen aus anderen Ländern werden verprügelt! Andersdenkende werden subventioniert! Medien werden manipuliert! Rassengesetze werden angenommen! Man bekennt sich offiziell zum Rassismus!
Das Schweizer Fernsehen hat es erkannt: „Rauer Wind für Immigranten in Italien“. So wird eine kurze Dokumentation in der Rundschau genannt. Das ist kein „Rauer Wind“. Das ist die Ruhe vor dem Sturm. JA! Ich spreche vom Faschismus! Der steht nicht in Italien vor der Haustür, sondern ist mit einem Fuss im Stiefel drin.

Aber es gibt Widerstand! Wie lange der sich noch hält, ist nicht klar. Zum einen sind da die Oppositionellen und zum anderen die Studierenden. Beinahe Täglich finden Demonstrationen in Italien statt die von den Medien totgeschwiegen werden. Manchmal kommt aber doch noch etwas raus. Kürzlich als Berlusconi den Universitäten den Hahn abdrehen wollte, gingen Tausende auf die Strasse. Sie demonstrierten gegen die Bildungsreformen dieser Regierung. Leider wurde der Widerstand von der Bevölkerung nicht unterstützt. Es kam sogar zu Übergriffen auf die Demonstrierenden. Mit Schlagstöcken und Baseballschlägern ging die Neonazistische Vereinigung „Forza Nuova“ auf die Studierenden los.
Erschreckend ist diese Parallelität zur Sturmabteilung –SA- des Naziregimes in Deutschland.


Fascism re-entered?

Widerstand! Das braucht Italien. Wenn der nicht von Innen gehalten werden kann, dann muss er von Ausssen geleistet werden. Als der verstorbene Rechtspopulist Jörg Haider in Österreich mit seiner Partei erschreckende Siege kennzeichnete, schickte Brüssel Delegierte nach Österreich, die über ein Jahr lang, der Regierung auf die Finger schaute. Der Grund war, dass die politische Entwicklung in Österreich Formen annahm, die es zur Zeit des Naziregimes gab. Man wollte die Wiederholung der Geschichte verhindern. Mit Erfolg. Die skurrile politische Entwicklung in Italien ist schon mehrere Schritte weiter. Der Faschismus hat in Italien Fuss gefasst. Und Brüssel? Wo ist Brüssel?



Rassistische Übergriffe: Rauher Wind für Immigranten in Italien:




Quellen: 

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